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Fragen an
Prof. Dr. Klaus Töpfer
Von 1987 bis 1994 Bundes- minister für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit
Was müssen wir noch tun, damit die Kreislaufwirtschaft
ausreichend in unser Wahlprogramm aufgenommen wird?
Den Menschen im Land muss dieses doch recht abstrakte Konzept begreifbar gemacht werden. Dafür müssen wir es in die kommunalen Parteigremien und Parlamente hineintragen. Gespräche mit den örtlich zuständigen Entsorgungsunternehmen, Besichtigungsfahrten zu den technischen Anlagen dieser Firma – Sortieranlagen, Verwertungswege aufzeigen.
Wie kann Selbstbedienungseinzelhandel verpackungsärmer funktionieren? Einkauf von regionalen, Produkten mit weniger Verpackung – „Entpackung“ direkt im Geschäft. Also : Sensibilisierung der Menschen.
Warum brauchte die CDU so lange, um die Bedeutung der
Kreislaufwirtschaft in den wirtschaftlichen und energiepolitischen
Rahmenbedingungen zu verankern?
Unser Denken ist bisher sehr „linear“: Einer produziert – einer verpackt – einer verkauft – einer, der Kunde, kauft – an den Abfall denkt dabei keiner. Das ist nicht sein Bier – brächte nur Kosten, macht Investitionen erforderlich. So ist Selbstbedienung ohne Verpackung nicht „denkbar“ – denkt man zumindest. Ist aber nicht so. In einer Welt mit bald zehn Milliarden Menschen wer- den Rohstoffe immer knapper und teurer – unsere Meere sind bereits heute riesige Müllkippen – Grundwasser wird verschmutzt. Klare ordnungspolitische Vorschriften müssen Grenzen setzen – innerhalb derer Marktwirtschaft und Wissenschaft technische Lösungen entwickelt. Die CDU-Umweltpolitik hat dafür viele erfolgreiche Beispiele geliefert: Rauchgasentschwefelung, Drei-Wege-Katalysator, FCKW-freie Treibmittel.
Der Postchef Frank Appel hat in einem Interview gesagt:
„Wir müssen die Marktwirtschaft wieder in den Vordergrund rücken, sie sozial und ökologisch umbauen. Dazu brauchen wir ein altersgerechtes Sozialsystem und eine Regierung, die synthetische Kraftstoffe sowie Wasserstoff fördert und die CO2-Emissionen höher bepreist. Das muss einfach sein.“
Trifft das auch Ihre Einschätzung?
Die CDU muss mit zeitlichem und sachlichem Nachdruck die Soziale Marktwirtschaft zu einer Ökologischen und Sozialen Marktwirtschaft weiterentwickeln. Die sozialen Probleme sind in einem klaren ordnungsrechtlichen Rahmen bewältigt worden. Nun muss ein ordnungsrechtlicher Rahmen für die klima-und umweltbezogenen Probleme geschaffen werden. In diesem Rahmen wird die Marktwirtschaft technische Lösungen im Wettbewerb erarbeiten und menschliches Verhalten beeinflussen.
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Foto: picture alliance / SvenSimon | Anke Waelischmiller/SVEN SIMON