Otto Wulff im Interview: "Junge Union hat kein Interesse an Kooperation"

22.08.2019
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Der Bundesvorsitzende der Senioren-Union im Interview mit der Westfalen Post. Das Interview führte Martin Korte.

Schwerte. Otto Wulff hat zwei Din-A-4-Seiten mit Terminen der CDU im Märkischen Kreis mitgebracht. Die Veranstaltungen der Senioren-Union sind gelb markiert. Es ist viel Gelb zu sehen auf den Zetteln. Der Bundesvorsitzende der Organisation der Älteren in der CDU will verdeutlichen: Die Senioren sind sehr aktiv. Andere sind es nicht. Darüber wird zu reden sein.

Frage: Mehr als 40 Prozent der CDU-Wähler sind Senioren. Weiß die Partei das eigentlich zu würdigen?

Otto Wulff: Es war schon mal besser. Ich will es einmal anders ausdrücken: Wenn die CDU das Potential der Senioren nicht nutzt, wird sie keine Wahlen gewinnen. Sie muss die Älteren wieder mehr einbinden und ihre Lebenserfahrung nutzen.

Woran hapert es?

Die CDU muss mehr persönlich auf die Menschen zugehen und ihnen beweisen, dass sie mit ihnen redet und ihre Meinung erfahren will und diese ernst nimmt. Ich halte es jedenfalls für falsch, den Schwerpunkt der Mitgliederwerbung und –betreuung vorrangig auf soziale und digitale Medien zu legen.

Das sehen viele jüngere Parteistrategen anders.

Ja, aber die liegen falsch. Wir brauchen wieder mehr Versammlungen und mehr persönliche Kontakte. Über Talkshows kann kein Gemeinschaftsgefühl entstehen, dort können die Bürger auch nicht mitdiskutieren. Wir müssen uns ihnen wieder unmittelbar stellen. Die Menschen wollen nicht immer nur dann eingeladen werden, wenn Wahlen anstehen.

Ihr Vorschlag?

Jeder CDU-Kreisverband und jeder CDU-Ortsverein sollte in ganz Deutschland testweise alle drei Monate mindestens eine Veranstaltung für die Bürger organisieren, wo Mandatsträger aus Bund, Land und Gemeinden zu Gesprächen und Diskussionen zur Verfügung stehen. Die Bürger müssen erfahren: Die CDU steht zum Gespräch bereit. Ein Ruck wird durch die CDU gehen.

Ihre Rede-Duelle mit dem ehemaligen Junge-Union-Chef Philipp Mißfelder (gestorben 2015) sind legendär. Heute gibt es solche gemeinsamen Auftritte nicht mehr. Fehlt der Union das geschlossene Auftreten?

Ich denke ja. Früher kam zu jeder Veranstaltung der Jungen Union ein Vertreter der Senioren-Union – und umgekehrt. Jeder bekam das Wort. Das war spannend. Damit waren wir sehr erfolgreich. Heute wird die „Union der Generationen“ kaum noch gepflegt, schade, sehr schade.

Woran liegt das?

Ich fürchte, die Junge Union hat das Interesse verloren. In der Europawahl war von der „Union der Generationen“ nur vereinzelt zu hören. Für die Partei ist das insoweit gefährlich, als sie die ungemein wichtige Bindekraft verlieren kann, die einst Sozialausschüsse, Mittelstandsvereinigung, Junge Union, Frauen Union und Senioren-Union hergestellt und erfolgreich für die Wahlen genutzt haben.

Der Friday-for-Future-Bewegung geht Politik zu langsam. Müssten die jungen Menschen mehr auf die Älteren hören?

Senioren wissen aufgrund ihrer Lebenserfahrung, was machbar ist und was nicht. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wenn wir jetzt den Flugverkehr deutlich verteuern, wird das insbesondere in den Entwicklungsländern, die auf den Tourismus angewiesen sind, zu hunderttausenden von Arbeitslosen führen. Das bedenken viele junge Menschen nicht. Das gleiche gilt für den Kohleausstieg. ich habe nichts gegen einen früheren Ausstieg, bin sogar sehr dafür, aber wir müssen die Energiesicherheit in Deutschland gewährleisten. Sonst bricht unsere Industrie zusammen mit unübersehbaren Folgen.

Macht die Digitalisierung Älteren Angst?

Zum Teil ja, und das hängt auch mit der Politik zusammen. Sie muss den Menschen das Neue erklären und ihnen Ängste nehmen. Das gelingt oft nicht. Ich nenne ein Beispiel: Bei vielen Banken sind Leistungen nur noch kostenlos, wenn man sie online in Anspruch nimmt. Viele Senioren schrecken aber vor dem Online-Banking zurück, weil sie mit dieser Technologie nicht großgeworden sind und es ihnen jetzt schwer fällt, sie zu erlernen. Dafür werden sie mit Extra-Gebühren bestraft. Das ist ungerecht.

Sie machen gerade Wahlkampf im Osten Deutschlands. Dort gibt es CDU-Politiker, die eine Koalition mit der AfD ins Gespräch bringen.

Das ist für mich undenkbar. Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der ich erfahren habe, wohin braunes Gedankengut führt, in die Katastrophe. Und wenn ich bestimmte Figuren im rechten Milieu betrachte, dann habe ich Bilder vor mir, die ich nie wieder in meinem Leben sehen möchte. Es gibt nicht die böse Tat, es gibt nur den bösen Menschen. Mit denen will ich nichts zu tun haben.